Es gab eine Zeit in meinem Leben, da habe ich nicht viel darüber nachgedacht, wer oder was Gott ist und ob es ihn gibt oder nicht. Hätte man mich gefragt, hätte ich wahrscheinlich Ja gesagt, mehr aber auch nicht.
Eine Klassenkameradin lud mich zu einem Grillfest ein. Wir waren nicht befreundet, daher war ich ziemlich überrascht. Die Einladung hatte einen Grund: Bei diesem Grillfest erzählte sie (oder jemand anderes, ich weiß es nicht mehr) von ihrem Glauben. Ich erfuhr, dass ihre Familie zu einer kleinen Gemeinde gehören und was sie erzählten, klang ganz anders als das, was ich damals von Kirche so dachte: dass Kirche langweilig sein muss, voller Regeln, die man befolgen muss leere Rituale, Gebete und Gerede. (Sorry, liebe Kirchgänger – ich dachte es wirklich.) Was sie mir erzählten, war aber viel lebendiger.
Ein anderes Mal trafen wir uns und ich stellte ihr all meine Fragen. Warum sollte es Gott geben? Warum sollte er gerade so sein, wie die Christen sich das vorstellen (er könnte doch auch zum Beispiel die Sonne sein, immerhin brauchen wir die zum Leben)? Und überhaupt! Und ich muss sagen: Sie hatte keine sehr guten Antworten. Es gab nichts, was mich logisch überzeugt hätte oder was ich nicht weiter hätte in Frage stellen können. Wirklich nicht. Als ich ging, hatte ich also keinen echten Grund, warum ich gerade dieser Vorstellung von Gott und der Welt glauben schenken sollte. Aber ich merkte eines: Da war etwas sehr Echtes und Lebendiges dahinter. Ich merkte: Diesen Gott, von dem sie da erzählt, den gibt es wirklich.
Irgendwer aus dieser Gemeinde fragte mich schließlich, ob ich Jesus „mein Leben geben“ wollte, wie sie es nannten. Meine Antwort war Ja. Ich wollte auch das, was sie haben. Nach einem Gottesdienst bot mir die Pastorin an, das zusammen zu machen. Sie betete vor und ich betete nach; vom Anerkennen, dass ich bisher ohne Jesus gegangen bin („Sünde“) über die Bitte um Entschuldigung dafür („Vergebung“) bis zur Entscheidung, dass ich ihm in meinem Leben folgen will und er die Führung übernehmen darf und soll. Ich fand das ein bisschen komisch, so nachzubeten, und die Vorstellung, jemand anderen „Herr meines Lebens“ sein zu lassen, widerstrebte mir schon etwas. Aber ich wollte es versuchen, weil ich diese Nähe zu Gott erleben wollte. Also beteten wir zusammen. Es war nicht spektakulär, keine Engel oder Blitzlichter. Aber irgendwas hat sich verändert – ganz tief in mir drin. Und ich verstehe heute, warum sie sich so für mich gefreut hat.
Seitdem ich damals Ja zu Jesus gesagt habe, haben sich die Formen und die Art und Weise, wie ich meinen Glauben im Alltag lebe und pflege, immer wieder geändert. Ich glaube, dass es nicht so sehr auf äußere Form ankommt – sie sind mehr eine Hilfe für uns, als dass Gott sie von uns bräuchte – und ich erlebe den lebendigen Gott in meinem Leben im Alltäglichen wie im Besonderen. Ich begegne ihm im Gebet oder wenn ich Menschen etwas von ihm weitergeben will; ich erlebe, dass er Situationen zum Besten dreht, bei denen man es sich nicht mehr vorstellen kann. Aber am meisten erlebe ich, dass er in mir etwas verändert (und dann werden diese Situationen meist ganz nebensächlich). Ich habe zum Beispiel erlebt, dass ich Menschen mit echter, aufrichtiger Annahme begegnen kann, wo ich eigentlich auf Angriff gehen würde. Ich staune über diese Änderung, die tiefgreifender und grundlegender ist, als ich es durch harte Arbeit an mir selbst oder reines Befolgenwollen von moralischen Gesetzen erreichen könnte. Ich erlebe auch, dass ich gute Worte für jemanden persönlich habe, die ich eigentlich gar nicht wissen kann oder eine Richtungsweisung spüre, die sich als richtig herausstellt, ohne dass man das vorher hätte sagen können. Manches, was ich in der Bibel finde und erstmal total widersinnig finde (z.B. sich freuen, wenn man schwach ist oder „sich selbst verleugnen“. Was soll denn das bitte?!) erschließt sich mir nach und nach und ich merke, dass darin oft der größte Wert steckt, weil uns Gott genau hier am meisten begegnet. Dort, wo ich mich selbst sozusagen „aufgebe“ und Jesus hinein lasse, wo ich ehrlich loslasse und Jesus hineinnehme – oder hineinlasse –, erfahre ich das am allermeisten. Doch dabei verschwinde ich nicht einfach aus dem Bild. Dieser Gott macht das mit mir zusammen und er begegnet anderen durch mich. Auch wenn ich nicht perfekt bin.
Auf manche der Fragen von damals habe ich bis heute keine Antwort. Auf andere schon. Ich habe inzwischen eine Frage, die es gut auf den Punkt bringt. Wenn ich etwas unbedingt auf meine Art machen will und damit Gott eigentlich ausschließe, erinnere ich mich daran: Warum sollte ich einen Gott, der durch und durch gut ist, durch und durch Liebe ist und der wirklich alles weiß – warum sollte ich diesen Gott aus meinem Leben (oder einer Situation) ausschließen, warum sollte ich es besser wissen wollen und meinen eigenen Kopf durchsetzen – warum nicht einfach diesem Gott folgen, ihm die Führung überlassen, ihn einladen und es ihn mit mir zusammen auf seine Art machen lassen?